Wir freuen uns, dass wir mit unserem musikalisch-lyrischen Beitrag Innenblau Teil der Künstleraktion Mit Poesie durch Pandemie sein durften!

 

Innenblau 

(Prosagedicht | Lyrik und Rezitation Christiane Schwarze | Komposition und Piano Eva Batt)

Vertonung und Rezitation erschienen auf der Hör-CD Als Wir uns Trafen
Mauer Verlag, ISBN 978-3935121804

 

Innenblau

Heute ist mein Innen hellblau.
Nicht dieses wolkenlose, südliche, sondern umschleiert wie von Morgendunst.
Aber meine Erwartungen hatten schon immer diesen leichten Nebel um sich herum, der die Umrisse ein Stück von der Realität in den Traum verschiebt.
Bisher ist das noch niemandem aufgefallen, denn ich rede die Konturen schwarz und gestochen, wie eine Bauzeichnung.
Die Farbe Hellblau ist mein Geheimnis.
Nur ab und zu, wenn ich allein auf dem Balkon sitze, zwinkere ich dem Sommerhimmel zu. Als Zeichen des Verstehens ballt er manchmal ein paar weiße Wölkchen über mir zusammen und löst sie schließlich wieder auf.
Wenn der Wind in sein Wolkenmobile bläst, träume ich mich locker, luftig und verliebt.

Rot hat sich wieder auf Blau ausgebreitet.
Es überflutet alle Innenwege, durchschlängelt jeden Winkel meines Körpers, kein noch so abwegiger Gedanke, kein Lidschlag existiert ohne Rot.
Wer könnte durch dieses Energiekonzentrat hindurch mein Hellblau wahrnehmen?
Oft nicht einmal ich selbst.
Violett fühle ich mich dann.
Wenn die Farben sich in mir überlagern, spiegeln sie sich in den Fensterscheiben, gaukeln mir, je nach Lichteinfall, immer neue Schattierungen vor.

Purpur ist der Schlund, der mich in eine Spirale zieht, hinab zu dem vollständig lichtlosen Schwarz.
Diese Farbe, die eigentlich keine ist, begleitete mich durch mein Leben, unerwünscht und unabänderlich.
Wenn ich vor etwas davongerannt bin, dann vor dem Taumel durch diesen schwerelosen Raum, der mich aus meiner Erdverankerung riss, mich zur Fremden werden ließ, neben dem nahestehendsten Menschen.
Zitternd hockte ich in solchen Momenten in der Schwärze und konnte nichts anderes tun, als einen Tag nach dem anderen vergehen zu lassen.

Der Wind türmt schwere Wolken über mir auf, es regnet ununterbrochen.
Schwarz verdünnt sich endlich, der erste graue Streifen.

Grau ist eine Möglichkeit, es könnte sich ein kleines Hellblau dahinter verstecken.

© Christiane Schwarze

 

Auszug aus Christiane Schwarzes Buch:
Meine Tage wurden wie schimmernder Opal
Mauer Verlag, ISBN 978-3868123128

Zusätzlich erschienen in Braille-Schrift (Deutsche Zentralbücherei für Blinde / Leipzig)